Partnerfrage!!! Wie gehe ich mit einem Betroffenen um???

#1
Hallo Liebe Leute hier!

...eigentlich weiß ich gar nicht wie ich anfangen soll hier zu beschreiben, wie es mir (als Partnerin eines "Betroffenen") geht...!!!

zum Krankheitsbild:

mein Freund 25 Jahre jung leidet an :

Arhythmogene Rechtsventrikuläre Kardiomyopatie, Einkammer-Defi seit 2008, 2-Kammer-Defi mit Schrittmacherfunktion seit 2011


wir haben uns vor ca 3 Jahren kennengelernt und uns sofort ineinander verliebt. Alles war so wunderbar und hat einfach alles so sehr gepasst, trotz seines Handycaps...! Es hat mir nie was ausgemacht und ich war so froh so einen tollen Mann kennengelernt zu haben, da ich alleinerziehend bin....

vor ca 1,5 Jahren aber haben wir die Hölle auf Erden und es geht ihm sehr schlecht, weil sein sch... Gerät so häufig ausgeschlagen hat,... nun seitdem besteht unsere Beziehung nur noch aus Krankenhausaufenthalten, großer Panik (beiderseits), Verlustängsten, usw...leider hat ihm das ganze sehr aufs Gemüt geschlagen und er zeigt mir auch nicht mehr das er mich liebt... auch im Bett ist tote Hose seit ca 10 Monaten...(davor war alles wunderbar) ...

natürlich spreche ich ihn stänig drauf an und habe oft das Gefühl, das ich ihn dränge...andererseits möchte ich ihm einfach nah sein, weil ich ihn wirklich über alles liebe ... seit gestern ist er auf einer Reha, ... die zweite seit dem wir uns kennen...


(das war jetzt alles mal im Schnelldurchlauf...) meine Frage ist es, was man gegen die Ängste machen kann... und wie ich sie ihm nehmen kann, damit er wieder am Leben teil nimmt und sich wieder um sich und seine Mitmenschen kümmert!!!

Außerdem bin ich so traurig, jetzt sehen wir uns wieder 5 Wochen wegen der reha nicht....sollte ich mich da melden bei ihm? oder ihn in Ruhe lassen? was meint ihr???

Danke fürs lesen!!!

Liebe Grüße



Re: Partnerfrage!!! Wie gehe ich mit einem Betroffenen um???

#2
Hallo maeschelo,
darauf zu antworten ist sehr schwierig und ich hoffe, ich kann mich richtig ausdrücken..

Die Ursache liegt erst einmal an der Krankheit, der Defi verhindert nur das Schlimmste, nämlich das Dein Freund nicht an seinen Arrhythmien stirbt. Da ich Deinen freund nicht kenne, und selbst wenn, ich nicht in ihn hineinschauen kann, vermag ich seine Situation kaum beurteilen zu können. Ich kann Dir aber schreiben wie ich es, der es erlebt hat, aus meiner Sicht beschreibe.

Ein Defi prophylaktisch eingesetzt zu bekommen oder ihn in Aktion zu erleben sind zwei Paar ganz unterschiedliche Schuhe. Bei einer prophylaktischen Implantation sieht man die ganze Sache noch aus einer relativ großen Distanz, alles ist noch schön hypothetisch. Ok, man ist gefährdet, es kann etwas passieren, muss aber nicht. Man lebt so weiter und je weiter die Implantation hinter mir liegt, desto sicherer fühle ich mich.
Und dann: BUMM. Der Defi schlägt zu, das tut Schei.. Weh, er tut aber nur seine Arbeit. Der ganze Körper ist in Aufruhr und insgeheim weiß man, "normalerweise wär ich jetzt tot". Und wenn sich die Krankheit dann auch noch dahingehend verschlechtert, der Defi öfter schockt, dann muss man sich innerlich intensiv mit dem Tod auseinandersetzen. Die daraus entstehende Hilflosigkeit muss jeder erst einmal mit sich alleine ausmachen, professionelle Hilfe in Form von Psychomatik kann da sehr viel Gutes tun. Ich konnte damals auch mit niemanden aus Familie- und Freundeskreis darüber reden. Nicht weil keiner da war sondern weil ich mein Innenleben hätte niemandem erklären können, es gab einfach nicht die richtigen Worte dafür. Und die Sprüche "Kopf hoch, das wird schon wieder" hängen einem bereits beim zweiten mal aus den Ohren raus. Den Weg schafft man erstmal nur alleine, aber ich war selig, dass mein Umfeld da war und auf mich gewartet hat.

Viele von uns haben hier im Forum ihre "Leidenswege" aufgeschrieben und wie sie sich wieder von ihren Ängsten befreit haben. Vielleicht wäre es hilfreich wenn Dein Freund hier mal reinschaut.

Ich wünsche Deinem Freund und Euch alles Gute.

Besten Gruß

Thorsten



Re: Partnerfrage!!! Wie gehe ich mit einem Betroffenen um???

#3
Hallo,

Thorsten hat das sehr gut beschrieben.

Auch wenn meine Meinung weh tun kann, wichtig darüber hinaus ist der Selbstschutz.
Niemanden hilft es, wenn du bei der Sache auch noch vor die Hunde gehst.
Insofern sieh auch in dir selbst hinein, was Du willst.

Du fragst nach Kontakt oder in Ruhe lassen....beantworte diese Frage auch für dich selbst und entscheide entsprechend.
Partnerschaft kann ja nur funktionieren, wenn beide sich wohlfühlen.
Übertrieben Rücksichtsnahme ist nicht gut.

Ich möchte als Patient so behandelt werden, dass meine Frau, mein Kind, meine Freunde offen mit mir umgehen und sich selber - soweit es eben geht - wohlfühlen.
Als Partner einer von einer anderen Krankheit betroffenen, gehe ich das genauso an. Zur Seite stehen, unterstützen, alles selbstverständlich. Aber, keine Selbstaufgabe.


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Dilatative Kardiomypathie, non-compaction Kardiomyopathie, linker ventrikel stark vergrößert, KHK ausgeschlossen, EF 20, Defi Empfänger März 2011. Insulin pflichtiger Diabetes Mellitus.

Re: Partnerfrage!!! Wie gehe ich mit einem Betroffenen um???

#4
Hallo,
Thorstens Ausführungen treffen es perfekt!
Deine Situation ist wirklich nicht einfach und die Unsicherheit absolut zu verstehen. Du schreibst selbst "bisher war alles perfekt", jetzt natürlich nicht mehr. Dein Freund muß erst einmal mit seinem Gefühlen und Ängsten klar kommen, da ist am Anfang wirklich kein Platz für Dich und Deine Ängste! Bestimmt wird das bald wieder besser. Es kommt darauf an wie stabil Eure Beziehung ist und wie "leidensfähig" Du bist. Zeig ihm, daß er sich auf Dich verlassen kann und Du für ihn da bist, damit hilfst Du ihm glaube ich am besten. Hör zu wenn er reden will und sieh sein jetziges Verhalten nicht als Ablehnung Deiner Person. Das ist bestimmt nicht so!
Ich hoffe sehr, daß die Ärzte die Ursache für die Schocks schnell herausfinden und durch Medikamente und Therapien beheben können. Die Aussicht, daß sich der Zustand Deines Freundes wieder bessert, sind auf jeden Fall gegeben. Mit der Krankheit werdet ihr aber leben müssen. Die Frage ist nur, kannst und willst Du das?
Alles Gute
Eva-Maria



Re: Partnerfrage!!! Wie gehe ich mit einem Betroffenen um???

#5
Vielen Dank an eure Antworten!!! Ich habe mich hier schon total eingelesen, ich bewunere einige, wie souverän sie mit ihrem Defi umgehen!!! RESPEKT!!!

Gerade haben wir telefoniert, und es gefällt ihm wohl sehr gut auf der Reha! das freut mich natürlich sehr!

ABER:

wie kann ich ihm nur seine Angst nehmen, oder ist es eine "berechtigte" Angst??? und wie gehen eure Partner damit um? Bezieht ihr sie in Therapien mit ein, oder was würde euch besonders gut tun?


Ich bin total traurig, fühle mich leer und hilflos, weil ich nichts tun kann...zuhören tu ich natürlich und versuche für ihn "da" zu sein, aber das reicht nicht denke ich... ich möchte einfach für ihn, das er wieder am Leben teil nimmt und ein Stück Lebensqualität zurückgewinnt!



Re: Partnerfrage!!! Wie gehe ich mit einem Betroffenen um???

#6
    Zitat: maeschelo
    und wie gehen eure Partner damit um? Bezieht ihr sie in Therapien mit ein, oder was würde euch besonders gut tun?




Diese Frage kann ich mit einem ganz eindeutigen JA beantworten. Wir lassen unser Leben aber nicht von den Krankheiten dominieren.

Der Einbezug ist ja wichtig, weil man bestimmte Dinge der Krankheit anpassen sollte. Bildlich gesprochen: Ich kann nun einmal leider keine 10km Wanderung mehr machen. Offenes Umgehen nimmt meiner Frau ja auch die Angst. Wegen des Defi brauchst sie mit mir kaum was anders machen. Aber wegen der Grunderkrankung sind eben bestimmte Dinge zu berücksichtigen.

Dass meine Frau eben auch weis, dass ein paar "technische Dinge" zu berücksictigen sind (Magnetfelder meiden, keine schweren Sachen heben.....) die unmittelbar mit dem Defi zusammen hängen, ist ja auch nicht verkehrt.

Wir haben auch gelernt zu scherzen... (..wie das wohl ist, wenn im "entscheidenden Moment" das ding losballert).. auch der scherzhafte Umgang, sprich lustiges mit dem Defi zu verbinden, hat uns geholfen. Das mag für manche eigenartig klingen.

Sprich, jeder muss für sich selber auch herausfinden, was zu einem (Betroffenen und Partner) am besten passt.

Ich wünsche Euch alles Gutes.


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Dilatative Kardiomypathie, non-compaction Kardiomyopathie, linker ventrikel stark vergrößert, KHK ausgeschlossen, EF 20, Defi Empfänger März 2011. Insulin pflichtiger Diabetes Mellitus.

Re: Partnerfrage!!! Wie gehe ich mit einem Betroffenen um???

#7
Es hat mir immer gutgetan, mit meinem Partner über meine Ängste, die Probleme, und auch über die Therapie zu sprechen.


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Pulmonalatresie mit Ventrikelseptumdefekt, 4xOP am offenen Herzen, Herzinsuffizienz 2. Grades, Z.n. überlebtem Plötzlichem Herztod 2007, anschließend Defibrillatorimplantation, 2011 und 2012 Ballondilatation mit Stentimplantation in den Pulmonalarterien, 2012 Kammerflimmern