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viele viele Fragen

Verfasst: 7. Dezember 2008, 08:51
von Beccci
Hallo!

Ich bin hier gerade neu eingetroffen ... bin begeistert von Euren Beiträgen!!!
Ich hoffe, Ihr könnt auch mir etwas helfen ...

Meinem Vater (61 J.) wird morgen ein Defi implantiert. Er hatte vor zwei Wochen einen Autobahnunfall mit dem LKW, ist einfach "zusammengeklappt". Seitdem haben die Ärzte nach der Ursache geforscht und sind fündig geworden: "bösartige" Herzrhytmusstörungen mit gelegentlichen Kammerflimmern links. Er hatte öfter schon Ohnmachtsanfälle, aber das es sich um so etwas handelt, hatten wir nicht vermutet! Er hat nochmal riesiges Glück gehabt, unvorstellbar, wenn etwas schlimmeres geschehen wäre.

Kennt sich jemand mit dieser Diagnose aus? Ich meine, was ist unter "bösartig" zu verstehen?

Ich habe hier von "Schocks" gelesen? Was heißt das??? Gibt der Defi unwillkürlich Stöße ab oder wie? Tut das weh? Wielange halten sie an? Wie äußert sich das? Wie muss man sich verhalten? Ist das lebensgefährlich?

Fühlt ihr Euch in Eurer Lebensqualität mit dem Defi eingeschränkt? Fühlt Ihr Euch besser oder schlechter mit dem Gerät?

Wie oft muss der Defi eigentlich gewechselt werden? Geschieht das auch stationär?

Ist es richtig, dass man als Defi-Träger einen Behinderungsgrad von 50% erreicht?

Die Situation ist für uns alle so ungewohnt. Ich bin 25 Jahre alt und habe meinen Vater noch nie krank erlebt. Sein Leben ist immer von harter Arbeit geprägt gewesen. Er darf auf keinen Fall mehr LKW fahren, das ist für ihn das schlimmste. Dabei spielen natürlich auch Exitenzängste eine Rolle. Ich denke nicht, dass in dem Alter noch Umschulungen finanziert werden und, dass er dann noch was findet.
Die gesetzliche Berufsunfähigkeitsversicherung gibt es ja nicht mehr ... Greift dann die Erwerbsminderungsrente? Weiß jemand, wie diese berechnet wird?
Wielange ist man eigentlich krankgeschrieben nach so einem Eingriff?

Oh man, jetzt habe ich Euch aber mit vielen Fragen bombardiert!!!

Würde mich so freuen, wenn ihr mir vielleicht die ein oder andere Frage beatworten könntet!

Vielen Dank im Voraus und einen schönen 2ten Advent!

Herzliche Grüße aus Hamburg,
Becci




Re: viele viele Fragen

Verfasst: 7. Dezember 2008, 09:32
von Carmen
Hallo Becci,

wie schön, daß Du Deinem Vater helfen willst und Dich hier angemeldet hast. Willkommen. Da tauchen anfangs schon einige Fragen auf, wenn man auf einmal "Defibesitzer" wird!!

Die Situation ist für Deinen Vater mit Sicherheit nicht leicht, aber mit Defi wird er einfach auf der sicheren Seite sein, kann man drehen und wenden wie man will. Er hat ja bisher wirklich einen Schutzengel gehabt und kann von Glück reden, daß seine Rhythmusstörungen bisher so glimpflich abgelaufen sind.

Bösartige Rhythmusströrungen trete dann auf, wenn die Leistung des Herzmuskels immer schlechter wird. Das kann man natürlich alles messen und feststellen (EF). Ein kranker Herzmuskel kann sich nicht mehr so schön koordiniert zusammenziehen und auf einmal schaukeln sich die Rhythmusströrungen auf und eh man sich's versieht, hat man Kammerflimmern. Passiert innerhalb ganz weniger Sekunden. So vereinfacht kannst Du Dir das vielleicht vorstellen. Und bei einer EF von sagen wir ca. 30 % kann das immer auftreten.

Der Defi bekommt das mit, wenn da was schiefläuft im Rhythmus und mit der Geschwindigkeit des Herzschlages. Und innerhalb von wenigen Sekunden ist er in der Lage, mittels Schock das alles wieder auf ein normales Level zu bringen. Ist wie bei einer hysterischen Person: knall ihr eine und sie kriegt sich wieder ein - drastisch ausgedrücke *g*.

Viele hier im Forum sind wirklich nur noch dank des Defis am Leben. Ein Schock ist unangenehm, erschreckend und immer unverhofft, deswegen mag man ihn wohl nicht. Aber nur er kann Deinen Vater vor dem tödlichen Herztod retten.
Ich mag ihn auch nicht, aber was hilft's? Ohne ihn wäre mein Mann schon seit Jahren Witwer. Und in so einer Situation stellt sich die Frage, ob man sich ohne Defi wohler fühlen würde, nicht mehr.

Der Defi wird - je nach Einsatz und Strombedarf - nur alle paar Jahre gewechselt. Manche hier haben ihren Defi schon sechs Jahre drin, aber dann mußte er auch noch nie eingreifen. Er braucht dann ja auch keinen Strom. Der Wechsel erfolgt stationär, ist aber oft schon nach 2 Tagen lerledigt. Die Sonde(n) muß man ja dann nicht mehr setzen, nur das alte Aggregat abstöpseln und ein neues dranhängen. Aber klar, muß wieder aufgeschnitten werden.

So, ich hoffe, ich konnte dir ein wenig helfen. Bezüglich Rente und Behinderung schau mal in den entsprechenden Rubriken nach oder benutze die Suchfunktion.

Dir und Deiner Familie auch einen schönen 2. Advent und für morgen alles Gute für Deinen Vater. Ich fand die Implantation nicht so schlimm, wird aber wohl von jedem anderes empfunden.

LG Carmen




Re: viele viele Fragen

Verfasst: 7. Dezember 2008, 09:43
von Thorsten
Hallo Becci,
ein Haufen verständlicher Fragen. Alle Antworten dazu und auch Erfahrungen von anderen Truckern findest Du mit etwas Suche hier im Forum. Deshalb nur in Kürze:

    Zitat: Beccci
    Kennt sich jemand mit dieser Diagnose aus? Ich meine, was ist unter "bösartig" zu verstehen?
Das ist zwar noch keine richtige Diagnose aber: Jeder Mensch hat kurzzeitige Herzrhythmusstörungen. Normalerweise hören die von alleine wieder auf, bei Herzkranken aber ebentuell nicht, dort kann es zu Kammerflimmern führen, ein unkontrolliertes Zittern des Herzmuskels, der, da kein Blut mehr gepumpt wird, innerhalb weniger Sekunden zur Bewusstlosigkeit und dann nach wenigen Minuten zum Tode führt.

    Zitat: Beccci
    Ich habe hier von "Schocks" gelesen? Was heißt das??? Gibt der Defi unwillkürlich Stöße ab oder wie? Tut das weh? Wielange halten sie an? Wie äußert sich das? Wie muss man sich verhalten? Ist das lebensgefährlich?
Nein, der Defi gibt keine unkontrollierten Schocks ab sofern er richtig programmiert ist und keine Sondendefekte hat. Der Defibrillator kontrolliert die Herzfrequenz und fängt bei auftretendem Kammerflimmern seine "Therapien" an. Anfangs versuch er durch Überstimulation mit kleinen, kaum merkbaren, Impulsen die normale Herztätigkeit wieder zu erreichen. Wenn das nicht klappt gibt er einen schmerzhaften Elektroschock ab, der das Herz wieder zur Ruhe bringt. Klappt diese Therapie ist es danach wieder gut, wenn nicht geht der Spaß von vorne los. Der Schock äußert sich sich in einem Muskelzucken des gesamten Körpers, "Emergency Room" lässt grüßen. Der Schock ist nicht gesund, aber die Altenative ist der Tod. Sollte man nicht gerade vor einer Drehbank oder auf einer Leiter stehem ist das relativ ungefährlich. Das Problem: der Defi muss für seine Therapie eine Zeit lang beobachten und warten um sicherzugehen, das es tatsächlich Kammerflimmern ist. Der betroffene Mensch kann in dieser Zeit bewusstlos werden, da der Kreislauf zusammenbricht.

    Zitat: Beccci
    Fühlt ihr Euch in Eurer Lebensqualität mit dem Defi eingeschränkt? Fühlt Ihr Euch besser oder schlechter mit dem Gerät?
Jain und sowohl als auch. Man muss sich an die körperlichen Auswirkungen und die Situation, das sein Leben von einer Maschine abhängt, gewöhnen. Dies kann lange dauern und mit starken psychischen Ängsten einhergehen. Schlieslich weiß man, das man dem Tod ein Schnippchen geschlagen hat und das es jederzeit wieder passieren kann.

    Zitat: Beccci
    Wie oft muss der Defi eigentlich gewechselt werden? Geschieht das auch stationär?
Je nach Gerät und Anzahl der abgegebenen Therapien zwischen 4 und 7 Jahren.

Antwort b) Ja

    Zitat: Beccci
    Ist es richtig, dass man als Defi-Träger einen Behinderungsgrad von 50% erreicht?
Ja

    Zitat: Beccci
    Die Situation ist für uns alle so ungewohnt. Ich bin 25 Jahre alt und habe meinen Vater noch nie krank erlebt. Sein Leben ist immer von harter Arbeit geprägt gewesen. Er darf auf keinen Fall mehr LKW fahren, das ist für ihn das schlimmste. Dabei spielen natürlich auch Exitenzängste eine Rolle. Ich denke nicht, dass in dem Alter noch Umschulungen finanziert werden und, dass er dann noch was findet.
    Die gesetzliche Berufsunfähigkeitsversicherung gibt es ja nicht mehr ... Greift dann die Erwerbsminderungsrente? Weiß jemand, wie diese berechnet wird?
Wir haben hier einige Ex-Trucker, die nicht mehr fahren dürfen, ich denke die können sich hierzu besser Äußern. Für Rentenansprüche und -möglichkeiten können die Sozialverbände Antworten geben.

    Zitat: Beccci
    Wielange ist man eigentlich krankgeschrieben nach so einem Eingriff?
Unterschiedlich nach Befinden. Dein Vater sollte aber auf jeden Fall nach der Operation eine Anschlussheilbehandlung (Kur) machen.

Nun ist es doch etwas ausführlicher geworden, ich hoffe es hilft Euch ein wenig weiter. Für weitere Fragen stehen wir hier gerne zur Verfügung, nutze aber auch die Suchfunktion, dort findest Du viele noch ausführlichere Antworten. Deinem Vater erst einmal alles Gute. Auch wenn jetzt vieles bei Euch im Chaos versinkt, die meisten von haben das auch durch. Das Leben geht weiter, im postiven Sinne - ich für meinen Teil genieße es jetzt mehr als früher.

Gruß
Thorsten




Re: viele viele Fragen

Verfasst: 7. Dezember 2008, 11:36
von andy
Hallo Becci,
Auch von mir ein Herzliches Willkommen.
Ich habe auch Kammerflimmern gehabt. Aber zum Glück noch nicht so stark, dass was passiert ist. Ich kämpfe da gegen an, dass es sich nicht wiederholen tut.
Hier bekommt dein Vater so gut hilfe wie es geht.
Als kopf hoch und immer schön Ruhig bleiben. Aufregung schadet dem Herz. :-))
LG andy


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Gehörlos durch Gehirnhautentzündung mit 11 Jahren. Defi-Träger seit 2.2008. wegen Ventrikuläre Tachykardien.
Periphere Arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) letzte Stufe am 2.2013! KHK! Arteriosklerose!

Re: viele viele Fragen

Verfasst: 7. Dezember 2008, 18:01
von Beccci
Liebe Carmen, lieber Thorsten, lieber Andy,

vielen vielen Dank für Eure Antworten, Tipps und Verständnis!
Das tut gut und hilft mir sehr.

Jetzt verstehe ich das Prinzip so langsam ...

Echt super, dass es dieses Forum gibt!

Ich wünsche Euch alles alles Gute!

Beke